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Risiko einer steuerlichen Betriebsstätte bei Versetzung ins Ausland aus arbeitsrechtlichen Gründen

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Das Risiko einer steuerlichen Betriebsstätte bei Versetzung ins Ausland aus arbeitsrechtlichen Gründen

12.2013

Seit einigen Jahren kommt es immer häufiger vor, dass Arbeitnehmer innerhalb der EU das Land wechseln, um ihre berufliche Tätigkeit auszuüben. Gelegentlich resultieren hieraus unvorhergesehene steuerliche Konsequenzen, die je nach Einzelfall zu prüfen sind. So geschah beispielsweise im Falle eines unserer Mandanten folgendes: ein spanischer Ingenieur und Mitarbeiter eines spanischen Unternehmens beginnt im Rahmen eines Projekts in Deutschland für ein deutsches Chemieunternehmen zu arbeiten. Der Ingenieur arbeitet von montags bis donnerstags am Sitz des deutschen Unternehmens. Freitags fliegt er nach Barcelona, wo er mit seiner Familie wohnt, und sonntags fliegt er zurück nach Deutschland.

In diesem Fall entsteht für das Unternehmen aufgrund der Art der Tätigkeit der Mitarbeiter eine steuerliche Betriebsstätte im Ausland. Dieses Konzept ist eine steuerrechtliche Erfindung (die im handelsrechtlichen Sinne nicht existiert), die lediglich bezweckt, dem Staat, in dem eine wirtschaftliche Aktivität entfaltet wird, Steuerhoheit über die aus dieser Tätigkeit erwirtschafteten Gewinne zu erlangen, auch wenn das Unternehmen eigentlich seinen Sitz in einem anderen Staat hat. Gemäß Art. 5 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Spanien-Deutschland wird eine Betriebsstätte als „feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird” definiert.

Hieraus folgt, dass die deutsche Finanzverwaltung die Gewinne des spanischen Unternehmens, die durch die Tätigkeit des in Deutschland tätigen Mitarbeiters entstehen, besteuert. Insofern muss das spanische Unternehmen zwei Buchhaltungen führen, d.h. eine für die wirtschaftlichen Aktivitäten in Spanien sowie alle weiteren im Ausland ohne Betriebsstätte und eine zweite für die Tätigkeiten in Deutschland, da aufgrund der Theorie der Betriebsstätte das Ergebnis dieser Tätigkeit in Deutschland besteuert wird. Wenn im Ausland keine Betriebsstätte existiert, kann ein ausländischer Staat keine in seinem Land erwirtschafteten Gewinne besteuern. Dieses resultiert aus Art. 7.1 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Spanien-Deutschland.

Wie man annehmen kann, wird die deutsche Finanzverwaltung mit allen Mitteln versuchen, das Vorliegen einer Betriebsstätte in Deutschland anzunehmen, während der spanische Unternehmer genau das Gegenteil zu erreichen versucht. Somit wird eine Auseinandersetzung in Gang gesetzt, die weitreichende Ausmaße für den Steuerpflichtigen annehmen kann, wenn nicht im Voraus eine ordentliche Planung der wirtschaftlichen Aktivitäten in steuerlicher Hinsicht erfolgt. Wenn die deutsche Steuerverwaltung das Vorliegen einer Betriebsstätte des spanischen Unternehmens in Deutschland annimmt und das spanische Unternehmen dies nicht bei Aufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland angemeldet hat, muss das Unternehmen nicht nur die Steuern entsprechend nachzahlen, sondern auch noch mit Säumniszuschlägen und Verzugszinsen rechnen.

Im Falle des geschilderten Ingenieurs stellt sich die Frage, wie die deutsche Steuerverwaltung überhaupt erfahren konnte, dass das spanische Unternehmen über seinen Ingenieur eine Betriebsstätte in Deutschland unterhielt? Wie unser Mandant erfuhr, hat die deutsche Steuerfahndung im Rahmen einer Betriebsprüfung des deutschen Kunden den Namen des spanischen Ingenieurs auf der Mitarbeitertelefonliste des deutschen Unternehmens sowie ein Schild mit dem Namen des Ingenieurs auf seiner Bürotür im deutschen Unternehmen entdeckt. Die Schlussfolgerung der deutschen Finanzverwaltung war schnell und eindeutig: Es liegt eine Betriebsstätte in Deutschland vor. 

Für den Fall, dass der Ingenieur in Spanien unbeschränkt steuerpflichtig bleibt (da sich in Spanien sein Lebensmittelpunkt sowie der seiner Familie befindet), regelt Art. 4.2 DBA Spanien-Deutschland, dass die unbeschränkte Steuerpflicht in Spanien einer eventuellen Steuerpflicht in Deutschland vorrangig wäre. Aus diesem Grunde muss der Ingenieur seine Einkommensteuererklärung in Deutschland jährlich so abgeben als sei er nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig, auch wenn er sodann von der Zahlung in Deutschland freigestellt wird, da nur der spanische Staat als Wohnsitzstaat zur Besteuerung berechtigt ist.

Und es besteht noch ein weiteres Problem: Da der Ingenieur sein Gehalt von der deutschen Betriebsstätte erhält, muss diese Lohnsteuerabzüge einbehalten und abführen, obwohl diese Arbeitseinkünfte in Deutschland steuerbefreit sind. Im Rahmen der jährlichen Einkommensteuererklärung werden dem Ingenieur die entsprechenden Lohnsteuerabzüge zurückerstattet, aber dieses Geld erhält er eben mehr als ein Jahr später zurück, als er es zunächst gezahlt hat.

Zum Schluss noch ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Eine Buchhalterin einer Anwaltskanzlei aus Deutschland zieht für einige Jahre nach Barcelona, um mit ihrem Ehemann zusammen zu leben, der hier arbeitet. Sie arbeitet von Barcelona aus weiter für die deutsche Kanzlei. Alle 14 Tage fliegt sie zu Besprechungen mit Kollegen nach Deutschland. Obwohl die Mitarbeiterin regelmäßig in Spanien wohnt und arbeitet, impliziert ihre Tätigkeit kein Vorliegen einer Betriebsstätte, da sie keine aktive wirtschaftliche Tätigkeit im spanischen Markt zugunsten ihres Arbeitgebers ausübt.

Der deutsche Arbeitgeber braucht in Spanien keine Lohnsteuer abzuführen; wohl aber muss sie jedes Jahr ihre Einkommensteuererklärung als unbeschränkt steuerpflichtige Person in Spanien abgeben und ihr Gehalt aus Deutschland angeben, wobei auf die Steuer eventuell in Deutschland gezahlte Steuern anzurechnen sind.

Die Frage nach dem Vorliegen einer Betriebsstätte ist außerordentlich komplex und jeweils einer Einzelfallbetrachtung zu unterziehen, was letztlich zu einem höheren Ermessensspielraum für die Finanzverwaltung führt. Ein direkter Konflikt mit einer der beiden Verwaltungen ist wegen des Risikos und der Kosten in den meisten Fällen kaum anzustreben. Mithin ist eine eingehende vorherige Planung von Auslandsaktivitäten unabdingbar.

++ Artikel veröffentlicht in deutscher Sprache in der Zeitschrift „Economía“ (Dezember 2013), herausgegeben von der Deutsch-Spanischen Handelskammer ++

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