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Neue Konflikte im Steuerrecht in einer immer kleiner werdenden Welt

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Neue Konflikte im Steuerrecht in einer immer kleiner werdenden Welt. Wird das „Internationale Steuerrecht“ neues Unwort des Jahrzehntes?

02.2016

Bis vor Kurzem war der Begriff Steuerrecht für die meisten Personen und Unternehmen eine strikt nationale Angelegenheit. Seit ca. 15 Jahren hat der internationale Bereich stetig mehr Einfluss auf das Wirtschaftsleben genommen, so dass sowohl die nationalen Steuerbehörden als auch die zuständigen Richter Probleme haben, sich hieran zu gewöhnen.

Zum besseren Verständnis aktueller Probleme stellen wir im Folgenden einige Beispiele dar, die wir täglich in unserer Kanzlei erleben: 

1.    Ein Mexikaner gründete Dank der Niederlassungsfreiheit im Rahmen der NAFTA ein kleines Softwareunternehmen in San Francisco. Rechtsform des Unternehmens ist eine „Limited Liability Company (LLC). Nunmehr lebt der Mexikaner mit seiner ebenfalls ausländischen Frau und seinem Sohn in Spanien und reist regelmässig in die USA, um sein Unternehen zu führen, wobei er auch von Barcelona aus arbeitet.

Aus steuerlicher Sicht ist es offensichtlich, dass die Familie in Spanien steuerpflichtig ist; aber wo befindet sich der Geschäftssitz, wenn der Gesellschafter auch in Spanien arbeitet? Bei Anwendung der entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen lässt sich feststellen, dass die Tätigkeit unter steuerlichen Gesichtspunkten eine Betriebsstätte in Spanien darstellt. Wie werden demnach die Gewinne der amerikanischen LLC in Spanien versteuert? Die spanischen Finanzbehörden wissen es nicht, da ihnen in der Regel schlicht die Kenntnisse für eine entsprechende Beurteilung einer LLC fehlt. 

2.    Ein deutscher Pilot einer europäischen Luftfahrtgesellschaft beschliesst, zusammen mit seiner ebenfalls nicht spanischen Partnerin, die bei demselben Unternehmen arbeitet, in der Nähe von Barcelona zu leben. Seine regelmässigen Flüge nach Frankfurt oder in andere Städte weltweit dauern in der Regel mehrere Tage und haben zur Folge, dass er nicht unwesentliche Zeit ausserhalb Spaniens verbringt. In welchem Land ist dieses Paar also steuerpflichtig?

Und wenn es so ist, dass das Paar in Deutschland steuerpflichtig ist, weil es seine kompletten Einkünfte aus diesem Land erhält, kann die spanische Finanzverwaltung auch eine Steuerpflicht für Spanien reklamieren? Und wenn dies so wäre, könnte auf diesen Fall Art. 7p) des spanischen Einkommensteuergesetzes (IRPF) Anwendung finden, der einen Freibetrag in Höhe von 60.100 Euro für im Ausland ausgeführte Arbeiten vorsieht? Die spanische Finanzverwaltung hat hierauf keine Antwort. Bisher hatte sich diese Frage nicht gestellt. 

3.    Wenn jemand eine Anzeige von Google Adwords anklickt, erhält das die Anzeige schaltende Unternehmen eine Rechnung einer irischen Firma für die Kosten der Anzeige (sog. „Pay per click“). Die Gewinne aus den Anzeigen (bei Google) laufen über ein Unternehmen mit Sitz in Irland, wo die Körperschaftsteuer erheblich niedriger als in Spanien (und Deutschland) ist. Dieses ist weder für die spanische Finanzverwaltung (die mangels einer Betriebsstätte in Spanien keine Steuerhoheit über die Aktivitäten hat) befriedigend, noch für ein spanisches Konkurrenzunternehmen, das sich ggf. sogar niedrigeren Preisen des Wettbewerbers ausgesetzt sieht, und dessen Gewinne voll in Spanien zu versteuern sind. Ebenfalls unbefriedigend ist diese Situation auch für die Finanzverwaltung in den USA, denn Google (und viele andere multinationale Unternehmen dieses Landes) lagern ihre Gewinne im Ausland, so dass die amerikansiche Verwaltung keine Steuern hierauf erheben kann.

Und all dies nur deshalb, weil der Begriff „Betriebsstätte“, der eine „feste Geschäftseinrichtung“ darstellt, und der es Spanien erlauben würde, die Gewinne dieses  ausländischen Unternehmens zu besteuern, in den 50er Jahren erfunden wurde, als man an Bergbau, Infrastruktur etc. dachte, aber Dienstleistungen oder Urheberrechte in der Praxis kaum Wert hatten. Viele nationale Steuerverwaltungen würden insofern gerne das Konzept der Betriebsstätte aktualisieren (d.h. erweitern), können dies aber natürlich nicht ohne Abstimmung mit den anderen Ländern durchführen. Und es wird immer Länder geben, die hierzu nicht bereit sind, weil sie mit dem aktuellen System bereits Vorteile für sich sehen. 

4.    Bisher hat eine Vielzahl der in Spanien lebenden Rentner (einheimische und Ausländer) ihre ausländischen Renten in Spanien nicht deklariert, obwohl sie hierzu nach dem Welteinkommensprinzip verpflichtet wären. Infolge der internationalen Abkommen über Informationsaustausch zwischen den europäischen Staaten, hat Spanien nunmehr Kenntnis von diesen ausländischen Renten. Im Januar dieses Jahres wurden die Rentner von den spanischen Finanzbehörden informiert, dass sie Kenntnis von ihren Renteneinkünften in Spanien hätten und haben sie aufgefordert, sie zu deklarieren.

Um den Rentnern Erleichterungen hinsichtlich der Nachzahlung der letzten vier nicht verjährten Jahre zu verschaffen, hat der spanische Staat eine Steueramnestie für diese Rentner insofern erlassen, dass sie keine Säumniszuschläge zahlen müssen. Dieser Informationsaustausch erfolgt seit einigen Jahren auch im Hinblick auf Zinsen und sonstige Vermögensgewinne aus anderen EU-Staaten, wenn auch der Informationsfluss noch reichlich fehlerhaft ist. 

5.    Seit einigen Jahren treten immer wieder neue Fälle von Steuerhinterziehung und Geldwäsche auf, die bis vor einigen Jahren niemals rechtshängig geworden wären, weil man nicht gewusst hätte, wo sich das Geld befand (das in Andorra, der Schweiz oder anderen Ländern, die sich nicht an dem System des internationalen Informationsaustausches beteiligt haben, versteckt war). Diese Delikte wurden somit in der Regel kaum verfolgt.

Letztes Jahr sagte mir ein ehemaliger kurz vor der Rente stehender Kollege einer angesehenen Steuerkanzlei in Bonn „Unglaublich, dass ich das noch erlebe! Selbst Liechtenstein hat ein Abkommen über Informationsaustausch  mit Deutschland unterzeichnet. Wenn dieses Land seine Einstellung ändert, ist alles möglich.“ In jedem Falle muss berücksichtigt werden, dass es sich bei Steuerhinterziehung und Geldwäsche um relativ neue Straftatbestände handelt, die schwer verfolgbar sind. Viele der Korruptions- und Steuerdelikte, die derzeit strafrechtlich verfolgt werden, werden aufgrund der fehlenden Erfahrung und Reife unseres Rechtssystems ungestraft bleiben. Letztes Jahr veröffentlichte Die Zeit (7/2014) ein Interview mit einigen Finanzbeamten, die sagten, „Wir sind die Dummen. Wir verfolgen diese Täter mit Fahrrädern.“

Es sind diese nur einige Beispiele für eine sich verändernde Welt. Die nationalen Systeme haben noch immer grosse Schwierigkeiten sich an die neuen Umständen anzupassen. Ein Satz, den ich meinen Mandanten immer sage, wenn sie erfahren, dass sie erstmal zweimal zahlen müssen, wenn sie eine Erbschaft antreten bzw. ich sie über die steuerlichen Risiken einer Wohnsitzverlagerung aufkläre, ist „the economy goes global, but taxes stay national“.

++ Artikel veröffentlicht in deutscher Sprache in der Zeitschrift „Economía“ (Dezember 2015), herausgegeben von der Deutsch-Spanischen Handelskammer ++ 

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